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Josua Grawitter

Andrea Nahles Vorschlag zur Rentenreform

von ,

1. Aktuelles Rentensystem

Das deutsche Rentensystem hat einen schlichten Anspruch: Jeder Mensch soll im Alter genauso gut leben, wie vorher. Deswegen ist die Rente pro­por­tio­nal zum früheren Einkommen. Finanziert wird die Rente durch Umlagen, das heißt die Rentenbeiträge von Beschäftigten werden gesammelt und auf alle Rentner aufgeteilt. Die Beiträge sind keine Steuern und Rentenkassen sind getrennt vom Staatshaushalt. Der Staat regelt aber, wie groß die Renten und die Rentenbeiträge sind.

Das System hat darüber hinaus viele Feinheiten und Sonderregeln. Ich beschränke mich auf drei Aspekte:

  1. Die Rente ist proportional zum früheren Einkommen.
  2. Es gibt eine maximale Rente.
  3. Die Rente wird für alle Rentner gleichmäßig (prozentual) angepasst.

Außerdem gibt es die Grundsicherung, die der Staat garantieren muss. Wenn die Rente unter die Grundsicherung fällt, muss die Differenz aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden.

2. Das Problem

Die aktuelle Debatte wird durch den demographischen Wandel verursacht: Es wird in Zukunft mehr Rentner und weniger Erwerbstätige geben; deshalb schrumpft die Umlage. Im aktuellen System bewirkt das eine flachere Rentenkurve; alle Rentner kriegen (prozentual) weniger und mehr Menschen sind auf staatliche Hilfe angewiesen.

Wenn wir die aktuellen Beitragssätze behalten, werden die Renten kleiner werden, vor allem für Menschen mit großen Renten. Die kleinen Renten ändern sich (absolut) kaum. Die Kosten für den demographischen Wandel würden die Rentner tragen. Es ist eine politische Entscheidung jetzt einzugreifen, um das zu verhindern.

3. Andrea Nahles’ Vorschlag

Andrea Nahles möchte eingreifen, und schlägt folgendes vor: Die Rente für einen idealen durchschnittlichen Lohn soll mindestens 46 Prozent dieses Lohnes betragen. Statt durch Beitragserhöhungen soll das mit öffentlichen Geldern bezahlt werden. Der Staat zahlt nicht wie bisher nur bei kleinen Renten dazu, sondern bei allen Renten.

Der Nahles-Vorschlag löst nicht das Problem der Altersarmut. Stattdessen werden vor allem große Renten bezuschusst. Das klingt ungerecht, aber Nahles Vorschlag ist dennoch solidarisch: Der Zuschuss kommt aus vor allem aus Steuern, die progressiv erhoben werden. Er wird vor allem durch Menschen mit großen Einkommen finanziert. Das ist ein Riesenvorteil gegenüber den Rentenbeiträgen, die regressiv erhoben werden (und vor allem kleine Einkommen belasten).

Nahles Vorschlag ist ein Kompromiss: Es wird weiterhin außschließlich von Jüngeren zu Älteren umverteilt und die junge Generation trägt zukünftig die Kosten für den demographischen Wandel. Innerhalb der jungen Generation wird die Last aber fair verteilt, weil reiche Menschen mehr einzahlen.

4. Alternativen

Wie bereits angedeutet, gibt es zwei offensichtliche Alternativen zu Nahles’ Vorschlag: Kleinere Renten und größere Beiträge. Wir könnten uns auch von der linearen Rentenformel verabschieden. Effektiv bedeutet das eine solidarische Umverteilung zwischen den Rentnern. Bisher ist das ein politisches Tabu. (Tatsächlich könnte auch Nahles’ Vorschlag horizontale Umverteilung bewirken: Zum Beispiel durch eine Vermögenssteuer und durch Steuern auf Renten.)

Denkbar wäre eine flachere Kurve mit einer Mindestrente, die die Grundsicherung garantiert.

Ebenso denkbar ist eine Art bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) für Rentner: Alle erhalten den gleichen Rentensatz.

Das BGE ist politisch unwahrscheinlich, aber eine Mindestrente erscheint mir sinnvoll.